Meetings, Mails und Misskommunikation

Eine Arbeitsgruppe in der Forschung ist ein kleines Unternehmen für sich. Es gibt den Chef, den Arbeitsgruppenleiter, der auch über Gelder entscheidet. Zum Beispiel ob wir ein neues Mikroskop angeschafft oder ein Hiwi eingestellt werden kann, wohin der nächste Betriebsausflug geht oder wann das AG-Seminar stattfinden soll.

Klar, angestellt sind alle bei der Universität, die meist in öffentlicher Hand ist, also angestellt bei den Ländern. Doch ist das ganze Gebilde Forschung unterteilt und bis ins letzte ausdifferenziert. So hat eine Uni zwar einen Etat, den sie aber nach einem bestimmten Schlüssel auf ihre Fakultäten verteilt. Die Fakultät betreut wiederum Fachbereiche, in denen die Arbeitsgrupen angesiedelt sind. Um das Ganze noch etwas zu verkomplizieren, sind manche Arbeitsgruppen – teils von verschiedenen Unis – in Exzellenzclustern und Sonderforschungsbereichen organisiert. Finanzierung gibt es zudem nicht nur über den öffentlichen Haushalt, sondern Arbeitsgruppen und sogar einzelne Forscher können Drittmittel einwerben. Die kommen meist über die DFG, aber auch aus der Wirtschaft. Diese Gelder bekommt die Arbeitsgruppe oder der Forscher nicht direkt, sondern alles läuft wieder über die verwaltenden Kanäle der Uni. Alles in allem also unglaublich bürokratisch, langwierig und anfällig für Fehler. Viel schlimmer: es ist intolerant gegenüber schnellen, unkomplizierten Lösungen.

Befindlichkeiten über Problemlösung

Die kleinste Einheit an der Uni ist also die Arbeitsgruppe, die keine eigene Finnanz- oder Lohnbuchhaltung hat. An der Spitze steht der Chef (Professor), irgendwo unten die HiWis und andere Angestellte. Finanziell lässt sie sich jedoch maximal mit einer Abteilung eines Unternehmens vergleichen. Man wage es, einen alteingesessenen Professor als „Abteilungsleiter“ zu betiteln … Und da wären wir beim nächsten Punkt: Befindlichkeiten.

In keinem Zweig der Wirtschaft wird auf diesem Lohnniveau derart von oben herab regiert. In den hohen Positionen bei Konzernen vielleicht. Aber nicht im Bereich von 12-20€ die Stunde. Kein Unternehmen wäre bei so viel Organisationsaufwand derart unorganisiert und chaotisch. Überorganisiert möchte man meinen.
Man stelle sich vor: Ein Unternehmen mit 30 Mitarbeitern mit nur 10 Vollzeitkräften kennt sieben Hierarchiestufen. Diese Stufen existieren nicht nur auf dem Papier oder im Namen der Positionen. Nein. Wer wann welche Informationen bekommt hängt davon ab, auf welcher Stufe man steht. Aber damit die wichtigsten Dinge doch irgendwie an alle kommuniziert werden, gibt es drei feste und drei flexible Meetingtermine. Natürlich mit je anderen Besetzungen. Darüberhinaus gibt es wieder Meta-Meetings, in denen die Ergebnisse aus allen anderen Meetings zusammengetragen werden.

Wenn dann doch Probleme auftauchen und dann eine schnelle Lösung her muss, kann es passieren, dass nicht jeder, der Bescheid wissen soll auch Bescheid bekommt. Das liegt sehr oft auch daran, dass nicht klar ist, wer jetzt was wissen muss oder soll. Später, selbst wenn das Problem zufriedenstellend gelöst wurde, wird sich darüber aufgeregt, dass bestimmte Protokolle nicht eingehalten, Kommunikationskaskaden ignoriert und Autoritäten übergangen wurden. Generell dauert es meist länger, die richtige Vorgehensweise herauszufinden, als tatsächlich etwas zu machen. Und sei es, dass die Kaffeesorte gewechselt oder ob zukünftig neben der 3.5%-Milch auch die 1.5%ige oder gar veganer Ersatz gekauft werden soll.

Warum nimmst du nicht daran teil?

Ein Beispiel für unglaublich schlechte Kommunikation via Mail: Ich bin im Urlaub, bereits eine Woche. Am kommenden Montag soll ein Treffen meiner Graduiertenschule stattfinden. Ich habe mit der Organisatorin abgesprochen, dass ich daran nicht teilnehme, weil es die einzigen zwei Wochen sind, in denen ich noch Urlaub nehmen kann. Ansonsten steht bis Ende des Jahres so viel auf meinem Versuchsplan, dass es nicht möglich ist, nochmal Pause zu machen. Sie ist einverstanden und mahnt mich, nächstes und übernächstes Jahr zu kommen.

Da auch andere aus meiner AG zu dem Treffen gehen, findet meine Chefin heraus, dass ich nicht dort sein werde. Letztlich halt mein Pech, denn diese Treffen sind meist sehr nett und informativ. Statt mich zu fragen, ob das abgesprochen ist oder wie ich Gedenke, das Treffen nachzuholen, folgender O-Ton Mail:

Gerade fällt mir auf, dass du am Montag beim XXX gar nicht dabei sein wirst. Warum nimmst du nicht daran teil? Dir ist doch hoffentlich klar, dass du an zwei XXX teilnehmen musst?

Chefin, Tag 5 von 14 Tagen Urlaub.

Mal abgesehen davon, dass ich im Ausland war – was sollte diese Mail bezwecken? Dass ich meinen Urlaub abbreche, sofort zum Institut eile und an dem unvorbereiteten Treffen teilnehme? Zudem ist es meine Sache ob, wann und wie schnell ich die Vorgaben der Graduiertenschule umsetze. Sie ist alles andere als Pflicht. Eher eine gute Option, zusätzliche Qualifikationen zu erwerben. Wenn ich es nicht schaffe, alle Punkte zu sammeln, bekomme ich nicht die Abschlussurkunde. Aber ehrlich gesagt – who cares. Ich nicht. Und auch meine Chefs interessiert es nicht, ob ich bei meiner Doktorwürde später noch einen Zettel meiner Schule bekomme.

Diese Mail hatte nur einen Zweck: Frust ablassen. Und dass es Frust gab, hat mir meine Kollegin eine Woche später bestätigt, allerdings wegen etwas ganz anderem. Übrigens wieder eine Befindlichkeitssache.

Glaubwürdigkeit adé. Hello Duckmäusertum.

All das, all diese Dramen, lassen mich an der Glaubwürdigkeit meiner Chefetage zweifeln. Ich meine, niemand versteht so wirklich, warum es sich alle so schwer machen. Oder warum es immer wieder passiert, dass bestimmte Informationen auf dem Weg durch die Hierarchien verloren gehen. Und am Ende ein guter, bekannter Professor unverrichteter Dinge aus dem Haus geschickt wird, obwohl die richtigen Ansprechpartner im Haus waren, ja, nicht mal zwei Minuten aus dem Büro.

Am schlimmsten ist aber: Ich traue mich nicht mehr, offen zu sprechen. Ich traue mich nicht, neue Ideen vorzuschlagen, neue Verfahren oder mich überhaupt einzubringen. Neues wird direkt verurteilt, abgeschmettert, solange es nicht von jemandem kommt, der in der Hackordnung schön weit oben steht. Inzwischen rege ich mich kaum noch darüber auf. Ich kann oft sogar schon lachen, wenn wieder was passiert. Aber es macht mich nicht mehr fertig.

Auf meinem Tisch klebt ein Zettel mit meinen verbliebenen Werktagen bis meine aktive Phase hier beendet ist. Ich streiche jeden Tag ein Kästchen weg. Das tut sehr gut.

I’m back!

Fast ein Jahr ist es her, dass ich mich gemeldet habe – Schande. Doch es ist so viel passiert in den letzten Monaten, dass ich zu nichts anderem mehr gekommen bin. Der Nachwuchs bekommt Zähne, macht die ersten Schritte und jede neue Silbe aus dem kleinen verschmierten Mund bereitet uns frisch-Eltern neue Freude. Auch hat die Arbeit wieder begonnen und es war natürlich zunächst die Hölle los – auch ein Grund, warum ich nicht zum bloggen gekommen bin. Außerdem hatte ich das Blog ja in eine neue Richtung geschubst – als Mutti promovieren. Und solange ich nicht aktiv arbeite, ist das Thema nicht so wirklich aktuell.

Zunächst ein kleines Update: Seit Mitte März bin ich wieder im Job, während F. zuhause das Kind hütet und darin sehr aufgeht. Ich finde es zum einen unglaublich schön, dass wir die Möglichkeit haben, uns die Elternzeit zu teilen und dass der Vater ein bisschen mehr in die Kindererziehung und -betreuung involviert wird. Andererseits wäre ich unglaublich gerne noch länger Zuhause bei meinem Sonnenlicht geblieben. Ich habe mich zwar sehr auf meine Rückkehr gefreut und war erst auch glücklich, wieder andere Menschen zu sehen und meine Unterhaltung über das „Da! Da! Da!“-Niveau hinaus zu erweitern, aber letztlich ist es Arbeit. Meine Arbeit. Und jede Minute, die ich nicht in einem Radius von zehn Metern um mein Kind verweilte, war die reinste Hölle. Aber inzwischen kann ich die Kind-Pausen auch genießen.

Auf der Arbeit haben sich derweil  Dramen abgespielt, die so in einem professionellen und / oder wissenschaftlichem Kontext sich nicht abspielen sollten. Die Nichtigkeit dieser Dramen wird umso deutlicher, da sie den einen Tag alles lahm legen und das Denken der meisten Mitarbeiter blockieren, aber ein, zwei Tage später schon wieder vergessen oder höchst irrelevant geworden sind. Aber inzwischen habe ich gelernt, wie ich darüber stehe und kann es (meist) aus einer eher distanzierten Sicht betrachten. Prioritäten verschieben sich.

Promovieren mit Kind – man wird effizienter und gelassener.

Was hat sich noch getan?

Unser Mitbewohner M. ist ausgezogen – auch hier total unnötiger Rosenkrieg zwischen F. und M. Am Ende. M. wurde ersetzt – durch R. und mit dem klappt das Zusammenleben schon deutlich besser, unkomplizierter und einfacher.
Die Katzen gedeihen prächtig und mein erster Versuch, eine Orchidee zu versorgen scheiterte an unserem Urlaub. Nicht weil sie verdurstet wäre, sondern weil wir gegen die Sonne alle Rolläden zu 3/4 geschlossen hatten und die Orchidee einfach nicht genug Licht hatte. Tragisch.

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